Das mit der Zerre ärgert mich halt immernoch so ein bisschen. Komisch komisch,
Lass mich versuchen, etwas Ordnung in das Thema "Zerre" hineinzubringen.
Verzerrung entsteht, wo eine Signalverarbeitungs-Stufe mit ihrem Signal "überfordert" ist und das Eingangssignal nicht 1:1 verarbeitet werden kann, sondern in seinen Spitzen "beschnitten" wird, also der obere Teil der Signalkurve mehr oder weniger brutal abgeschnitten wird. Aus einer schön runden Sinuskurve wird dann im Extrem ein brutales Rechteck.
Im Ergebnis werden bei der Verzerrung dem ursprünglichen Signal zusätzliche Obertöne, also Vielfache der ursprünglichen Frequenz, in unterschiedlicher Intensität inzugefügt - je mehr Verzerrung, um so mehr Obertöne.
Wie der Name sagt, spielen sich diese Obertöne oberhalb der ursprünglichen Tonhöhe ab, d.h. das Signal bekommt mehr Präsenz und Höhen - deswegen setzt sich ein verzerrtes Signal auch meistens besser durch als ein unverzerrtes.
Erzeugt wird diese Verzerrung in erster Linie in Verstärkungsschaltungen, also im Amp (Vorverstärker, Poweramp) oder in entsprechenden Pedalen (Overdrive, Distortion, Fuzz). Der Lautsprecher hat damit im Normalfall nichts zu tun (gut, man kann auch eine Box über ihr Limit fahren, oder den Lautsprecher mit Rasierklingen traktieren, aber das ist eine andere Story).
Wenn Du sagst, dass Du auf einem Weg (Kopfhörer oder Lautsprecher) mehr oder weniger Zerre hast, dann bedeutet das nicht, dass da weniger Zerre vorhanden wäre, denn die Zerre wird vorher schon erzeugt. Was aber durchaus sein kann, ist, dass Du die durch die Verzerrung erzeugten Obertöne im Bereich 2-6kHz mehr oder weniger hörst. Das kann durch die entsprechende Frequenzkurve Deiner Kopfhörer bzw. Deiner Monitorbox zustande kommen.
Viele Kopfhörer haben in ihrem Frequenzprofil eine gewisse "Badewannenkurve", d.h. Bass und Höhen werden stärker wiedergegeben als der Mittenbereich. Damit hörst Du im Kopfhörer die Obertöne deutlich dominanter, während die Fundamentalklänge, also das "Pfund", eher abgesenkt werden. Eine FRFR-Box ist aber anders ausgelegt: die soll gerade auch den Mittenbereich mit voller Energie wiedergeben - da spielt sich ja die "Substanz" der Gitarre ab. Insofern relativ klar, dass das unterschiedlich klingen kann.
Außerdem gibt's noch ein hörpsychologisches Phänomen, die sogenannte "Fletcher-Munson-Kurve". Die besagt, dass man bei niedrigerer Lautstärke die Höhen und den Bass weniger wahrnimmt als bei hoher Lautstärke. Wenn Du also einen Sound bei hoher Lautstärke einstellst, so dass er Dir gefällt, dann wird er bei niedrigerer Lautstärke deutlich weniger brilliant und wuchtig daherkommen.
Letztendlich solltest Du einen Gitarren-Sound am besten in der Hörsituation einstellen, für die er letztendlich gedacht ist. Also einen Live-Gitarrensound am besten mit der Monitorbox auf Proben- bzw. Gig-Lautstärke. Wenn Du ihn dann per Kopfhörer anhörst, wird er erst mal seltsam klingen, aber Du wirst Dich dran gewöhnen... Es ist wirklich brutal schwierig, per Kopfhörer einen Sound einzustellen, der Live gut funktioniert - das können vielleicht richtig erfahrene Profis, die genau wissen, wie sich ihr Live-Set im Kopfhörer anhört, aber es ist definitiv nicht empfehlenswert.
Viel Erfolg!
Torsten